31.5.70

Gastfreundschaft

Gerade auf dem Dachboden Vaters Tagebuch entdeckt. Hier ein Eintrag von vor genau 25 Jahren:

Kaum ist der Führer tot, geht alles den Bach runter.
Ich liege in meinem Bett und schlafe, da klopfts an der Tür und der Bürgermeister will mit mir reden.
"Ey Alter, ich hab Dich doch gerade erst gestern geschmiert, damit Du mir die Affen vom Internierungslager vom Leib hältst, was willste denn nun?" -
"Ja, sorry, Mann, aber die Stadt hat sich entschieden Dich rauszuwerfen."
"Was? Raus aus Brünn? Nee, laß ma. Hier haste 100 Mark, jetzt wo de mich jeweckt hast, kannste ja gleich mal Deine Tochter rüberschicken." *zwinker* -
"Das geht aber nicht. Die wollen Dich hier raushaben und kommen schon mit den Fackeln und Heugabeln." -
"Aber wie sieht das denn aus? Willst Du, daß ich mein Gesicht verliere? Geteert und gefedert aus der Stadt gejagt? Hab ich Dich nicht immer gut bezahlt?" -
"Ja, aber was soll ich denn machen? Die Abstimmung war eindeutig gegen Dich." -
"Fuck." -
"Oder...nee, das ist zu abwegig." -
"Laß hörn!" -
"Ich dache gerade, daß wir auch gleich alle Deutschen verjagen könnten - dadurch wäre Deine Ehre gerettet."
"Aber aus welchem Grund?" -
"Grund? Ich brüll einfach nur "Raus mit den Nazis!" Den Rest erledigt der Mob."
"Brillant! Und das würdest Du für mich tun?" -
"Klar doch, wozu hat man denn Kumpelz." -
"Geil, dann sag den anderen mal Bescheid und schick in der Zwischenzeit Deine Tochter rüber. Wenn dann alle zusammengetrieben wurden, komme ich raus und fange ein Riesengezeter an, daß das so nicht geht, daß man an die armen alten Frauen, die jungen Kinder und die alten Säcke denken müsse, und daß Ihr alle herzlos seid. Is aber nur Show, da kann ich dann hinterher mit angeben." -
"Und wo willst mit den ganzen Leuten hin?" -
"Ich hab gehört, Wien soll momentan ganz in sein." -
"Dann viel Erfolg." -
"Danke, wird schon schiefgehen."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.