23.8.10

Schlingi, adieu!



Ich dachte, er wär' längst tot. Zu Grabe getragen hat Christoph Schlingensief sich selbst ja schon in der "Kirche der Angst vor dem Fremden in mir". Jetzt ist er, könnte man sagen, ein Opfer seiner eigenen Kunst geworden. Dekonstruktivistische Kunst; nicht für jeden was. Schlingensief war ein Müllmann, der auf Halden in der Zivilisationsscheiße wühlte und noch Erstaunliches bergen konnte. Er holte diesen Müll hervor, den wir vergessen wollten, und weiterverarbeitete ihn wieder zu Müll. Unvergessen bleiben Filme wie "Menü total", die Leute wie Wim Wenders dazu veranlassten, den Kinosaal kotzend zu räumen. Ob sein Asi-Big-Brother oder seine tatsächlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlte Talkshow - Schlingensief war auch ein Selbstdarsteller, der seinesgleichen suchte und eine egomanische Rampensau, womit er sehr viel mit uns gemeinsam hatte. Mit der Krankheit wurde er gemäßigter, nachdenklicher, obwohl auch das alles eine große Andy-Kaufmansche Inszenierung gewesen sein könnte. Aber wahrscheinlich konnte ein Typ wie Schlingensief nicht anders, als seine Angst so ausstellend und um Anteilnahme winselnd zu verarbeiten. In den letzten Aufnahmen und Interviews, die im Rahmen seines fitzcarraldonischen Opernprojektes in Afrika entstanden, sah er schon sehr versehrt und gezeichnet aus. Und jedem musste klar sein, der macht's nicht mehr lange. Auf seine fragende katholische Ohnmacht, warum ausgerechnet er als "Nichtraucher" dem Lungenkrebs anheim fiel, findet er jetzt vielleicht die passenden Antworten. Mit Schlingensief ist am 21. August, dem Geburtstag meiner Oma, einer der Großen von der Bühne des Lebens gegangen.








"Darum genießt den Punkt der Dummheit, aber zieht daraus Schlüsse des Glücks! Glück hat, wer mal nicht über sich und seinen Zustand reflektieren muß [...]

Gute nacht! CS"


Ja, gute Nacht.

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