28.10.09

Romantic Comedies #4

The Boy In The Striped Pyjamas
Jeder hat es schon mal erlebt: Man ist jung, steht als King des Schulhofes mitten im Saft und wird urplötzlich aus der Weltstadt Berlin gerissen, um mit der Familie aufs Land gekarrt zu werden. Dort ist natürlich nichts los, Freunde sind nicht in Sicht, und Fuchs und Hase sagen sich täglich Gute Nacht. Da trifft es sich dann ganz gut, wenn hinterm Haus ein KZ steht, in dem ein jüdischer Knabe gleichen Alters am Zaun verkehrt, der die Aufmerksamkeit unseres Helden auf sich zieht. Aus einer Bekanntschaft erblüht eine Freundschaft, und bevor wir die beiden in leidenschaftlicher Ekstase im Stroh beobachten können, geht der eine für den anderen in den Tod. Romeo & Romeo, ick hör Dir trapsen.
Mark Hermans period piece ist für viele wahrscheinlich nicht so leicht zugänglich wie seine vorherigen Komödien "Brassed Off" oder "Hope Springs", dafür sind die angesprochenen Themen in unserer heutigen Gesellschaft einfach zu tabu. Homosexuelle Selbstfindung im präpubertären Alter ist für sich allein schon kein einfacher Stoff fürs Kino, das aber noch mit Rassismus zu verknüpfen, ist eine Aufgabe, dessen Bewältigung nur wenigen Regisseuren erfolgreich gelingen dürfte. Herman schafft es natürlich, indem er die Handlung in eine Zeit verlagert, in der Homosexualität und Rassismus zum Alltag gehörten, wie die Butter zum Brot: die Zeit des Dritten Reiches.
Wenn Bruno und Leon sich nun während dieser politisch brisanten Ära einander am KZ Zaun nähern, mag das für viele Zuschauer unangenehm sein, weil sie sich dadurch mit ihrer eigenen Vergangenheit und frühen Doktorspielen konfrontiert sehen, die sie heute schamhaft zu verdrängen versuchen. Für die beiden Jungen ist es in ihrer Naivität aber die natürlichste Sache der Welt; Kinderaugen kennen häufig noch keine Vorurteile oder erzwungene Moralvorstellungen. Diese Vorurteile und Wertvorstellungen symbolisiert Herman virtuos durch den KZ Zaun, der beide voneinander trennt. Dieser KZ Zaun ist so stark, daß man ihn nicht einreißen kann - unter gar keinen Umständen; zu schwer wiegt die Gesellschaft, als daß das so einfach möglich wäre. Untergraben muß man den KZ Zaun und die Konventionen, um den Gefühlen freien Lauf zu lassen, und bestraft wird es am Ende mit der Gaskammer; das System läßt sich nicht untergraben, kommt da am Ende der allwissende Zeigefinger, und die meisten Zuschauer werden beruhigt sein, daß diese Travestie der Sodomisten endlich vorbei ist. Leider haben eben diese Zuschauer die Intention des Filmemachers nicht verstanden. Der will nämlich der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und ihr aufzeigen, wie häßlich sie doch ist, wenn sie die Beziehung zweier gleichgeschlechtlicher Menschen unterschiedlicher Religionsangehörigkeit von Anfang an verteufelt. Ein hohes Anliegen, das leider scheitern wird. Die Welt ist dafür einfach noch nicht reif genug.

Interessanterweise las man vor dem Kinostart von einem alternativen Ende, in dem Brunos Eltern ihn in letzter Sekunde aus der Gaskammer retten, und die ganze Familie anschließend bei der Ermordung Leons zusieht, aber der politische Druck von oben war dafür einfach zu groß. The Man wollte nicht, daß der Pöbel erfährt, daß man mit allem davon kommt, wenn man nur reich genug ist. Leider ist dieses Ende nicht auffindbar. Gefunden hab ich dafür das Ende, das überwiegend in Palästina gezeigt wird. Beide überleben den Krieg und sind viele Jahre glücklich, bis Leon eines Morgens sein wahres Gesicht zeigt:

Wegen möglicher antisemitischer Vorwürfe, entschied man sich aber gegen dieses Ende.

3 Kommentare:

  1. Oh, dieses Thema zieht mich jetzt zu später Stunde wirklich runter. Wenigstens läuft im Palästina-Cut "Eminence Front", goil.

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  2. Wieso so traurig? Das ist doch eine Komödie - zumindest laut Überschrift.

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  3. Das hast Du sehr schön geschrieben. Eine Interpretation, die ihresgleichen sucht.

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